Wachstumschancengesetz endlich verabschiedet

Durch das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachungen und Steuerfairness“ (kurz: Wachstumschancengesetz) wollte die Bundesregierung Steuern senken und Bürokratie abbauen.

Das Gesetz wurde bereits am 17. November 2023 vom Bundestag beschlossen (vgl. hierzu und zum ursprünglich angedachten Umfang des Gesetzes), doch die Länder stoppten es kurz darauf am 24.November 2023 im Bundesrat und haben den Vermittlungsausschuss angerufen, weil sie hohe Einnahmeausfälle befürchteten.

Schlussendlich hat der Bundesrat am 22. März 2024 dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses vom 21. Februar 2024 zum Wachstumschancengesetz zugestimmt (vgl. hierzu und zu den Punkten, die bereits im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes umgesetzt wurden).

Das Entlastungsvolumen wurde im Vermittlungsausschuss von ursprünglich rund EUR 7 Mrd. auf rund EUR 3 Mrd. zusammengestrichen. Die eigentlich geplanten neuen Prämien für Klimaschutz-Investitionen entfallen leider komplett, dagegen kommen die Anzeigepflichten für nationale Steuergestaltungen erfreulicherweise (erstmal) nicht.

Im Folgenden ein Überblick über die wesentlichen Neuregelungen, die grundsätzlich ab dem Veranlagungszeitraum 2024 in Kraft treten:

1. Ertragsteuern
 

  • Befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (z. B. Maschinen): 
    In den (Corona-)Jahren 2020 bis 2022 betrug die degressive Abschreibung das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung, maximal 25 %. Für Anschaffungen zwischen dem 01. April 2024 bis längstens 31. Dezember 2024 – also nur für neun Monate – beträgt die degressive Abschreibung nun das Zweifache der linearen Abschreibung, maximal 20 %.
  • Befristete Einführung einer degressiven Abschreibung für Wohngebäude: 
    Grundsätzlich 5 % pro Jahr für Anschaffung/Herstellung von Wohngebäuden in EU/EWR zwischen dem 01. Oktober 2023 und dem 30. September 2028 (6 Jahre).
     
  • Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubauten:
    Durch das Jahressteuergesetz 2022 wurde eine befristete Sonderabschreibung für den Neubau von Mietwohnungen eingeführt. Im Jahr der Anschaffung/Herstellung und den folgenden drei Jahren können zusätzlich zu regulären Gebäudeabschreibung jeweils 5 % abgesetzt werden. Die Bedingungen für diese Sonderabschreibung wurden durch das Wachstumschancengesetz ab 01. Januar 2023 verbessert.

    Gefördert werden Mietwohnungsneubauten nach dem 01. September 2018 bis zum 31. Dezember 2021 oder nach dem 01. Januar 2023 und vor dem 01. Oktober 2029 (bisher 01. Januar 2017). Die Anschaffungs-/Herstellungskosten dürfen EUR 5.200 pro Quadratmeter (bisher EUR 4.800) nicht übersteigen. Die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung beträgt max. EUR 4.000 pro Quadratmeter Wohnfläche (bisher EUR 2.500).

    Eine Kombination mit der degressiven Abschreibung für neue Wohngebäude ist möglich. Die Schaffung von neuem Wohnraum in Bestandsgebäuden ist nicht begünstigt, ebenfalls nicht begünstigt ist die Schaffung von privatem Wohnraum.
     
  • Sonderabschreibung zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe:
    Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG wird von 20 % auf 40 % angehoben.
     
  • Verlustvortrag in den Veranlagungszeiträumen 2024 bis 2027:
    Unverändert bis zu einem Sockelbetrag von EUR 1 Mio. bzw. EUR 2 Mio. (bei Zusammenveranlagung) ist der Verlustvortrag unbeschränkt möglich. Der den Sockelbetrag überschreitende Verlustabzug wird von bisher 60 % auf zukünftig 70 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahrs angehoben.
     
  • Private Veräußerungsgeschäfte:
    Anhebung der Freigrenze von EUR 600 auf EUR 1.000.
     
  • Thesaurierungsbegünstigung für Personengesellschaften:
    Um eine ähnliche Besteuerung wie Kapitalgesellschaften zu erreichen, können Personengesellschaften (z. B. gewerbliche GmbH & Co. KG) seit 2008 auf Antrag eine begünstigte Besteuerung von 28,25 % wählen. Bei Entnahme der begünstigt besteuerten Gewinne wird aber eine Nachversteuerung von 25 % ausgelöst. In Summe ist die Steuerbelastung bei Thesaurierung damit höher als der Spitzensteuersatz, weshalb der Antrag eher selten gestellt wird.

    Um die Regelung attraktiver zu machen, werden zukünftig u. a. Gewerbesteuerzahlungen und die Zahlung der Thesaurierungssteuer zum begünstigungsfähigen Gewinn hinzugerechnet, was zu einem höheren Thesaurierungsvolumen auf Ebene der Personengesellschaft führt.
     
  • Entlastung vom Steuerabzug:
    Erhöhung der Freigrenze zur Prüfung einer DBA-Berechtigung durch den Vergütungsschuldner bei Abzugssteuern auf Lizenzen von EUR 5.000 auf EUR 10.000.
     
  • Beschränkte Steuerpflicht auf Homeoffice-Tätigkeiten von Grenzpendlern:
    Bei Arbeitsausübung im Homeoffice des ausländischen Ansässigkeitsstaates eines nach Deutschland einpendelnden Arbeitnehmers hat der regelmäßige Tätigkeitsstaat Deutschland kein Besteuerungsrecht für den anteilig auf das Homeoffice entfallenden Arbeitslohn. Zur Vereinfachung des Lohnsteuerabzugs wird eine Ausübung bzw. Verwertung im Inland fingiert, mit der Folge einer beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Der deutsche Arbeitgeber hat daher auch für die Homeoffice-Tage des Grenzpendlers im Ausland deutsche Lohnsteuer einzubehalten. Betroffen von der gesetzlichen Neuregelung sind derzeit nur Grenzpendler aus Luxemburg.
     
  • Option zur Körperschaft für Personengesellschaften:
    Auf Antrag können Personengesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung optieren, quasi durch fiktiven Formwechsel der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Bisher konnten nur Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften optieren, zukünftig auch die GbR. Der Optionsantrag ist grundsätzlich einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres zu stellen, ab dem die Option zur Körperschaft gelten soll. Bei Neugründungen ist der Antrag bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags zu stellen.

2. Umsatzsteuer
 

  • Verpflichtende Verwendung von elektronischen Rechnungen zwischen inländischen Unternehmern:
    Die Definition der E-Rechnung in Deutschland wird an die EU-Vorgaben angepasst. Demnach gilt künftig als E-Rechnung jede Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format (z.B. per E-Mail) übermittelt werden sowie Papierrechnungen fallen künftig unter den Begriff „sonstige Rechnung“. Ab dem 01. Januar 2025 sind grundsätzlich für sämtliche inländischen B2B Umsätze an inländische Leistungsempfänger E-Rechnungen gemäß der neuen Definition auszustellen. Gleichwohl sieht der Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2026 bzw. bis zum 31. Dezember 2027 für Unternehmer deren Jahresumsatz weniger als EUR 800.000 beträgt vor. Dennoch müssen inländische Leistungsempfänger ab dem 01. Januar 2025 den Empfang von E-Rechnungen systemtechnisch sicherstellen.
     
  • Umsatzsteuererklärung von Kleinunternehmern, § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG:
    Kleinunternehmer werden für Besteuerungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2023 enden, von der Abgabe von Umsatzsteuererklärungen befreit. Sofern Kleinunternehmer jedoch innergemeinschaftliche Erwerbe tätigen bzw. die Steuer als Leistungsempfänger (Reverse Charge Verfahren) oder als letzter Abnehmer bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft schulden, sind entsprechende Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben.
     
  • Ist-Besteuerung, § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG:
    Mit der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) sieht das Umsatzsteuergesetz eine Ausnahmeregelung zur Berechnung der Umsatzsteuer für kleinere und mittlere Unternehmer vor, um die Erfüllung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen zu erleichtern. Mit Wirkung zum 01. Januar 2024 wird die Umsatzgrenze für die Anwendung der Ist-Besteuerung von EUR 600.000 auf EUR 800.000 angehoben.

3. Sonstige Steuern
 

  • Erweiterung der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht auf Vermächtnisse:
    Bei Steuerausländern unterliegt nur das Inlandsvermögen der deutschen Erbschaft-/Schenkungsteuer. Der Bundesfinanzhof urteilte, dass ein Vermächtnis in Bezug auf deutsches Vermögen (zB Immobilie) keinen deutschen Steueranspruch begründet und attestierte eine Besteuerungslücke im Gesetz. Diese Besteuerungslücke wird nun durch das Wachstumschancengesetz geschlossen. Die Neuregelung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft, gilt also ab dem 28. März 2024.
     
  • Disquotale Einlage in KGaA:
    Schenkungen unter Lebenden lösen Schenkungsteuer aus, wenn die persönlichen Freibeträge überschritten werden. Dies gilt auch bei disquotalen Einlagen eines Gesellschafters in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, da hierdurch die Mitgesellschafter bereichert werden. So war fraglich, ob die hybride Gesellschaftsform der KGaA ebenfalls dieser Regelungen unterfällt, denn sie wurde nicht ausdrücklich im Gesetz aufgeführt. Das Finanzgericht Hamburg kam zu dem Ergebnis, dass eine disquotale Einlage eines Kommanditaktionärs in die ungebundene Kapitalrücklage für den nicht am Grundkapital beteiligten, persönlich haftenden Gesellschafter schenkungsteuerlich unbeachtlich sei (vgl. hierzu). Ohne die Revision beim Bundesfinanzhof abzuwarten, reagierte der Gesetzgeber und stellt durch das Wachstumschancengesetz klar, dass auch disquotale Einlagen bei der KGaA der Schenkungsteuer unterliegen. Die Neuregelung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft, gilt also ab dem 28. März 2024.
     
  • Höhere Buchführungsgrenzen:
    Anhebung der handelsrechtlichen und steuerlichen Buchführungsgrenzen von bisher EUR 600.000 Umsatz im Kalenderjahr auf EUR 800.000 bzw. von bisher EUR 60.000 Gewinn auf EUR 80.000. Unterhalb dieser Grenzen ist keine Bilanz erforderlich, vielmehr genügt eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung mit vereinfachter Buchführung.
     
  • Aufbewahrungspflicht bei Überschusseinkünften:
    Anhebung der Einkünftegrenze von bisher EUR 500.000 im Kalenderjahr auf EUR 750.000
     
  • Außensteuergesetz:
    Statt einer Zinshöhenschranke werden neue Regelungen für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen und Finanzierungsdienstleistungen eingeführt, um Gewinnverlagerungen ins Ausland einzudämmen.
     
  • Umwandlungssteuergesetz:
    Unter gewissen Voraussetzungen können Auf- oder Abspaltungen bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich zum Buchwert erfolgen. Das Buchwert-Privileg gilt jedoch nicht, wenn die Umstrukturierung im Zusammenhang mit einer Veräußerung steht. In der sog. Nachspaltungsveräußerungssperre wird ein zeitliches Element (innerhalb von fünf Jahren nach der Spaltung) und ein sachliches Element (Verkauf von mehr als 20 % der Anteile) gesetzlich geregelt. Der Bundesfinanzhof legte die Regelung anders als das Finanzamt aus. Daraufhin erfolgt nun eine Umformulierung der Nachspaltungsveräußerungssperre durch das Wachstumschancengesetz. Die Neuregelung gilt erstmals für Spaltungen, bei denen die Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister nach dem 14. Juli 2023 erfolgt.

4. Lohnsteuer
 

  • Geschenke an Geschäftsfreunde:
    Anhebung der Freigrenze von EUR 35 auf EUR 50 an 01. Januar 2024
     
  • Anhebung Höchstbetrag für reine Elektrofahrzeuge
    Im Rahmen der 1%-Regelung bei reinen Elektrofahrzeugen galt bisher eine Höchstgrenze für die Anschaffungskosten von EUR 60.000, damit der Bruttolistenpreis zu einem Viertel angesetzt werden kann. Um diesbezüglich die Nachfrage zu steigern und auch die gestiegenen Anschaffungskosten von Elektrofahrzeugen abzumildern, wird der Höchstbetrag von EUR 60.000 auf EUR 70.000 angehoben. Gültig ist der neue Höchstbetrag für alle Elektrofahrzeuge, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft wurden.
     
  • Wegfall der Freigrenze für Gruppenunfallversicherungen
    Bisher konnten Beiträge zur Gruppenunfallversicherung pauschal mit 20 % besteuert werden, wenn der Durchschnittsbeitrag ohne Versicherungssteuer pro Arbeitnehmer die Freigrenze von EUR 100 pro Jahr nicht übersteigt. Wurde die Freigrenze überschritten, war der komplette Beitrag individuell zu versteuern.
    Die Freigrenze von EUR 100 wird rückwirkend zum 01. Januar 2024 ersatzlos gestrichen, so dass Beiträge zur Gruppenunfallversicherung ab diesem Zeitpunkt unabhängig von der Höhe immer pauschal mit 20 % besteuert werden können.
     
  • Wegfall der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren
    Bei Abfindungen war bisher immer zu prüfen, ob die sog. Fünftelregelung anzuwenden ist, wenn eine Zusammenballung von Einkünften im Kalenderjahr vorliegt. Da für Arbeitgeber die Zusammenballung unterjährig nur schwer oder überhaupt nicht beurteilt werden kann, wird die Regelung im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens ab 01. Januar 2025 gestrichen.
    Für die Arbeitnehmer ergeben sich jedoch keine Nachteile, da die Fünftelregelung weiterhin im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung geprüft wird. Die Prüfung kann ohnehin nur in der Einkommensteuerveranlagung zum richtigen Ergebnis führen, da erst hier alle Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, sonstige Steuerermäßigungen) bekannt sind. Zu diesem Zweck werden die für die Fünftelregelung in Frage kommenden Lohnbestandteile weiterhin gesondert in der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesen.
     
  • Gestrichene Maßnahmen
    Gestrichen wurden die geplante Anhebung des Verpflegungsmehraufwands auf EUR 16/32 sowie die Anhebung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen von EUR 110 auf EUR 150.
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